Zur Eindämmung des Corona-Virus‘ hat die Landesregierung die Entscheidung ge- troffen, den Unterrichtsbetrieb an den Schulen in Nordrhein-Westfalen im ganzen Land ab dem 16. März 2020 für knapp 6 Wochen auszusetzen. Da mit dem Ende des regulären Unterrichtsbetriebs nicht gleichzeitig auch das Lernen der Schülerinnen und Schüler ruhen sollte, wurden die Schulen gebeten, Lernaufgaben bereitzustellen, die das Lernen der Schülerinnen und Schüler im Primarstufenbereich über die Bereit-stellung altersangemessener und spielerischer Aufgaben ermöglichen und unter-stützen und an den Unterricht anknüpfen. Trotz Öffnung der Grundschulen zum Erteilen von Unterricht im rollierenden System blieb das Lernen auf Distanz bis zum 15.06.2020 präsent.
Es gilt zunächst Begrifflichkeiten abzustecken:
Homeschooling – digitales Lernen – Lernen auf Distanz
Homeschooling
Gleich zu Beginn der coronavirusbedingten Schließung von Schulen hat sich in der Alltagssprache im Nu Homeschooling als Begriff für das häusliche Lernen etabliert. Im kulturellen Kontext offener Bildungssysteme wie dem der USA ist Homeschooling je- doch ein Konzept, in dem die Eltern oder andere Mitglieder der Familie die Rolle der Lehrpersonen einnehmen – außerhalb des Schulsystems. Auf ein solches Konzept außerschulischen Lernens darf in der gegenwärtigen Phase jedoch gerade nicht ge- setzt werden. Eltern sind keine Ersatzlehrer, und Lehrer müssen die zentralen, fachlich ausgebildeten Bezugspersonen für eine Lerngruppe bzw. jedes einzelnen Schülers bleiben. Nicht alle Eltern können helfen und es soll verhindert werden, dass Schülerinnen und Schüler aus sogenannten bildungsfernen Familien benachteiligt werden.
Digitales Lernen
Digitales Lernen, oder auch E-Learning, bedeutet, dass digitale Medien zum Lehren und Lernen eingesetzt werden. Es ist unabhängig davon, ob sie offline am eigenen PC oder Tablet genutzt werden oder über Online-Lernangebote im Internet. Die digitalen Medien können auch zu unterschiedlichen Zwecken eingesetzt werden, beispiels- weise zur Bereitstellung von digitalen Lerninhalten, gemeinsamer Arbeit an Online- Dokumenten oder zur Kommunikation der Lerngruppe.
Beispiele für digitale Lernmedien sind:
• Digitalisierte Schulbücher und Arbeitsmaterialien (z. B. als PDF)
• Videotrainings (selbst erstellt oder über externe Anbieter bezogen)
• Virtuelle Klassenzimmer und Videokonferenzen
• Webbasierte Programme zum selbstgesteuerten Lernen
E-Learning betrifft somit in erster Linie die Art des Lernens. Die Auswahl, Aufbereitung und die Auseinandersetzung mit den Informationen im Lernprozess liegen weiterhin in der Verantwortung des Lehrenden und des Lernenden. Die gewünschten Lernpro- zesse und -ergebnisse werden nicht „automatisch“ durch E-Learning erreicht. Es ist insbesondere wichtig, die Lerninhalte an die Rahmenbedingungen „Grundschule“ an- zupassen und die technischen Grundlagen von Grundschülern zu berücksichtigen.
Im Rahmen des digitalen Lernens hat der Datenschutz aber auch der Schutz der Persönlichkeitsrechte eines jeden seine Daseinsberechtigung und ist besonders sen- sibel zu berücksichtigen. Insbesondere virtuelle Klassenzimmer und Videokon- ferenzen, sind sie nicht ausreichend verschlüsselt, schützen weder Schülerinnen und Schüler vor Missbrauch noch Lehrerinnen und Lehrer. Bisher gibt es keine für Schulen finanzierbare Plattform, die eine absolut geschlossene, sichere Kommunikation zwischen Lehrern und Klasse gewährleistet. Von Schulen finanzierbare Plattformen wie Zoom, Skype, GoogleMeet, etc. bergen stets das Risiko, dass Unbekannte sich in die Konferenzen einwählen, Kinder im Videochat mit der Lehrerin/dem Lehrer filmen und die Aufnahmen für andere Zwecke nutzen. Bisher nicht gelöst, auch seitens des Ministeriums, ist der Schutz des Lehrenden, der im Videochat mit seiner Klasse nicht kontrollieren kann, was mit seinen Bildern am anderen Ende geschieht. Es wird von Lehrerinnen und Lehrern viel Gottvertrauen erwartet, wissen sie doch nicht, wer außer dem zu beschulenden Kind am anderen Ende des Chats sitzt. Lehreraktion wird damit auf eine derartig öffentliche Ebene gehoben, die insbesondere in einer Kultur, in der der Lehrer- beruf kritisch gesehen und seitens der Politik wenig Unterstützung erfährt, besonderer rechtlicher schützender Maßnahmen für die Lehrperson erfordert. Diese rechtlichen Rahmenbedingungen sind in Nordrhein-Westfalen bisher noch nicht vorhanden. Der Vollständigkeit halber bleibt schließlich am Rande zu erwähnen, dass den Schulen bisher keine finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt wurden, um hochwertige in der Wirtschaft übliche Anbieter für Videokonferenzen wie WebEx oder Microsoft Teams zu nutzen. Auch für die Bereitstellung, Organisation und Verwaltung von schulischen Websites, die im Rahmen des Lernens auf Distanz unverzichtbare Plattformen für die Schulgemeinschaft sind, bleiben in der Finanzierung der Phantasie der in der Schule Mitwirkenden überlassen.
Lernen auf Distanz
Im Lernen auf Distanz werden über analoge oder digitale Wege Lernmöglichkeiten geschaffen, selbstständig Lernfortschritte zu erzielen, zu festigen und Inhalte zu üben. Im Auftrag des Schulministeriums wurden Impulse zum Lernen auf Distanz als didaktisches Unterstützungs- und Reflexionsangebot für Lehrerinnen und Lehrer konzipiert, die der Orientierung dienen sollen. Es wurden Leitlinien hierzu entwickelt, die jedoch an dieser Stelle nur genannt, jedoch nicht weiter erläutert werden (s. MSB):
1. So viel Empathie und Beziehungsarbeit wie möglich, so viele Tools und Apps wie nötig.
2. So viel Vertrauen und Freiheit wie möglich, so viel Kontrolle und Struktur wie nötig.
3. So viel einfache Technik wie möglich, so viel neue Technik wie nötig.
4. So viel asynchrone Kommunikation wie möglich, so viel synchrone
Kommunikation wie nötig.
5. So viel offene Projektarbeit wie möglich, so viele kleinschrittige Übungen wie nötig.
6. So viel Peer-Feedback wie möglich, so viel Feedback von Lehrenden wie nötig.
In der Phase des Distanzlernens ergeben sich vielfältige Lernchancen, gleichzeitig sind die sozialen Aspekte des Lernens angemessen zu würdigen. Uns erscheinen diese einleitenden Ausführungen maßgeblich für die Entwicklung eines Konzeptes für
„Lernen auf Distanz an der Wiehagenschule“.
Lernen auf Distanz an der Wiehagenschule
0. Grundgedanke
In unserer Gesellschaft bildet sich immer deutlicher die Diskrepanz in den häuslichen Voraussetzungen und dem familiären Bildungsstand ab. Wir als Wiehagenschule möchten alle uns anvertrauten Schülerinnen und Schüler dort abholen, wo sie sind. Dies bedeutet, der Schere, die sich auch im gesellschaftlichen Leben wiederspiegelt, gerecht zu werden, d.h. durch Differenzierung jedem Schüler und jeder Schülerin den bestmöglichen Lernfortschritt zu ermöglichen. Konkret heißt dies bezogen auf den zu behandelnden Kontext, dass wir eine Basis schaffen, die für alle unsere Kinder erreichbar sein muss, die jedoch für die Kinder mit weiterführenden Möglichkeiten ergänzt werden kann.
1. Lerninhalte und deren Bereitstellung
Das für das Lernen auf Distanz bereitgestellte Lernmaterial basiert auf den gemeinsam mit der Lehrperson Erarbeiteten (im Präsenzunterricht) oder bietet angemessene Möglich- keiten der Weiterentwicklung des Gelernten. Grundsätzlich sind die Aufgaben – entge- gengesetzt des Homeschoolings – ohne Unterstützung zu bewerkstelligen. Aufgabe des Elternhauses ist, wie auch bei herkömmlichen Hausaufgaben, die Ermöglichung eines konzentrierten und organisierten Surroundings. Das Lösen oder auch nur Auf- schreiben der Ergebnisse durch Dritte ist selbstverständlich nicht gewünscht.
Wir setzen als Wiehagenschule nicht voraus, dass Materialien über E-Mail-Zusendung im häuslichen Umfeld ausgedruckt werden können. Ebenso wenig stellen wir den Anspruch, dass Unterrichtsinhalte nur aufgrund des Vorhandenseins digitaler Medien erarbeitet werden können, da wir sehr wohl der Auffassung sind, dass insbesondere in der Grundschule das Erlernen haptischer Lerntechniken basierend und notwendig ist. Wir legen großen Wert auf die Vermittlung von Basisqualifikationen und Kultur- techniken, die selbstverständlich durch die Bereitstellung digitaler Lernmöglichkeiten differenzierend ergänzt werden können. Damit können die bereitgestellten Lerninhalte
in Form von „Papier-Paketen“ an der Schule zu vereinbarten Terminen abgeholt wer- den oder per E-Mail an die Eltern versandt werden. Die Nutzung der vorhandenen Lehrwerke mit ihren evtl. vorhandenen Begleitmaterialien ist eine Selbstver- ständlichkeit.
Das Kollegium der Wiehagenschule hat sich darauf verständigt, als zusätzliche, jedoch nicht verpflichtende Lernmöglichkeit in Abhängigkeit des Lerninhalts Apps mit entspre- chenden Aufgaben anzubieten bzw. auf diese aufmerksam zu machen. Ebenso kön- nen die Arbeitsmaterialien, die parallel auch analog bereitgestellt werden, in „Padlets“ gesetzt werden, auf die Mittels Passwort ein begrenzter Personenkreis (z. B. die Klasse) Zugriff hat. Für Padlets wird festgeschrieben, dass nur der Lehrer Inhalte veröf- fentlichen darf.
Videokonferenzen werden unter den momentanen Bedingungen an der Wiehagen- schule aufgrund der dargelegten Aspekte kritisch gesehen. Die Schule setzt sich mit dem MSB Angebot „Logineo“ auseinander.
Anmerkung der SL im Dezember 2020 – im Frühjahr finanziert der Schulträger IServ
Im Rahmen der kommunalen Medienentwicklungsplanung befindet sich die technische Ausstattung an der Wiehagenschule im Aufbau und wird ihre zweite Phase im Schuljahr 2020/21 mit der Ausrüstung von IPads, WLAN etc. abschließen, sofern die Mittelbereitstellung des Landes und die Lieferung durch den Anbieter (Apple) sich nicht verzögert. Sobald auch das Kollegium mit digitalen Endgeräten versorgt ist, wird die avisierte Software zum Einsatz kommen. Ziel wird es sein, zunächst die Kinder mit den Neuen Medien in Bezug auf schulische Inhalte vertraut zu machen, bevor auch diese im Lernen auf Distanz einsetzbar sind.
Hardware, die im Besitz der Schule ist, wird, sofern eine Versicherung seitens des Schulträgers existiert, auch zu Hause ihren Einsatz finden können. Jedoch wird die Rückgabe beschädigter Geräte dazu führen, dass es nicht zu einer erneuten Ausleihe kommt und Material dann in Papierform bereitgestellt wird.
2. Begleitung des Lernens
Die Begleitung des Lernens liegt bei der Lehrerperson. Eltern werden nicht zum Lehrer, es geht an der Wiehagenschule nicht um Homeschooling. Fragen können per Mail oder zu telefonischen Sprechstunden der Lehrpersonen angeführt werden. Können Aufgaben von einem Schüler/einer Schülerin nicht gelöst werden, so ist dies der Hinweis für die Schule, an welcher Stelle zur Weiterentwicklung der Lerninhalte ange- setzt werden muss.
Zur Begleitung des Lernenden ist die Erreichbarkeit des Lehrenden und die Kommunikation Grundlage. So verpflichtet sich jede Lehrerin und jeder Lehrer den Eltern und Kindern eine E-Mail-Adresse zur Verfügung zu stellen. Reaktionen auf E- Mails erfolgen werktags und natürlich außerhalb der Ferienzeit innerhalb von 24
Stunden. Außerdem richten jeder Kollege bzw. jede Kollegin eine telefonische Sprech- stunde entweder in der Schule oder zu Hause ein. Umgekehrt erwarten wir als Schule die Erreichbarkeit von Eltern ebenso per E-Mail und zeitnahe Reaktion auf unsere Nachrichten.
3. Zeitlicher Umfang des häuslichen Lernens
Die Aufgaben werden im 1. Jahrgang im Tagesplan, ab dem 2. Jahrgang im Wochen- plan konzipiert und sind i. d. R. bis zum nächsten Präsenzunterricht fertigzustellen.
Als reine Arbeitszeit – ohne Toilettengang, Getränkepause o.ä. sehen wir als sinnvoll an:
1. Jahrgang: maximal 1,5 Stunden täglich
2. Jahrgang: maximal 2 Stunden täglich
3. Jahrgang: maximal 2,5 Stunden täglich
4. Jahrgang: maximal 3 Stunden täglich.
Diese Arbeitszeiten können nicht am Stück geleistet werden, so dass der Toilet- tengang selbstverständlich für eine Unterbrechung sorgt, jedoch nicht zur Arbeitszeit hinzugezählt werden sollte. Selbstverständlich wird es auch unsererseits als sinnvoll angesehen, einen Teil der Arbeitszeit auf den Vormittag, den übrigen Teil auf den Nachmittag zu legen.
Die vorgenannten Arbeitszeiten verstehen sich an den Tagen, an denen kein
Präsenzunterricht stattfindet, und gelten als Richtlinie.
4. Rückmeldung
Die Aufgaben im Lernen auf Distanz werden stets zum Präsenzunterricht einge- sammelt und sofern möglich innerhalb einer Woche korrigiert und kommentiert zurück- gegeben. Falls erforderlich können persönliche Erläuterungen erfolgen oder auch ein- gefordert werden. Die Beobachtungen der Aufgabenlösungen bieten Grundlage für weitere pädagogisch-didaktisch-methodische Schritte und Aufarbeitung des Lern- stoffs.
5. Bewertung der im „Lernen auf Distanz“ erbrachten Arbeit
Die Benotung der im Lernen auf Distanz erbrachten Leistungen erfolgt nach den rechtlichen Vorgaben, wobei folgende Rangfolge in der Bewertungsgrundlage wurde vereinbart:
1. Vollständigkeit
2. Sorgfalt
3. Korrektheit
Lernzielkontrollen werden im Präsenzunterricht nach den gewohnten Maßgaben geschrieben und bewertet.
Präsentation in Videokonferenzen, Wochenpläne, Arbeit an Padlets, Lerntagebücher,
Das vorliegende Konzept „Lernen auf Distanz an der Wiehagenschule“ stellt eine Grundlage dar, wie wir auf die momentane Situation in der Pandemie auf schulischer Ebene reagieren. Das Konzept steckt noch in den Kinderschuhen und bedarf einer ständigen Evaluation und Weiterentwicklung unter Berücksichtigung gemachter Erfahrungen.
Literatur:
Impulse für das Lernen auf Distanz. Schulministerium.nrw.de
Distanzlernen – Didaktische Hinweise für Lehrerinnen und Lehrer. Krommer, Wampfler, Klee im Auftrag des MSB. Videokonferenz – Plattform in Schule nutzen. Datenschutz-Schule.info.
Lernplattformen in Schulen – Ansätze für E-Learning und Blended Learning in Präsenzklassen. Springer Nature 2020. Richtlinien und Lehrpläne für die Grundschulen in NRW.